Alkoholmissbrauch im Spannungsfeld zur Leistungskürzung in der Kaskoversicherung
Ist der Versicherungsnehmer mit dem versicherten Fahrzeug nachts mit einer
Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,85 Promille in der langgezogenen Linkskurve einer Autobahnüberleitung von der Fahrbahn abgekommen und gegen einen Baum geprallt, so kann, wenn seine Darlegungen einen alkoholunabhängigen Geschehensverlauf nicht plausibel zu erklären vermögen, der Nachweis eines alkoholursächlichen schweren Fahrfehlers geführt und der Versicherer nach den Umständen des Einzelfalles zur Kürzung der Versicherungsleistung auf Null berechtigt sein.
Ziff. A.2.9.1 AKB sieht zunächst das Recht des Versicherers vor, die Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen, allerdings (nur) bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadens infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel. Grob fahrlässig im Sinne von Ziff. A.2.9.1 AKB i.V.m. § 81 Abs. 2 VVG handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonderem Maße außer Acht lässt. Bei alkoholisierten Fahrern gilt:
· Das Führen eines Fahrzeugs im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit, das
heißt mehr als 1,1 Promille Blutalkohol, ist ein schwerwiegender Verstoß gegen
grundlegende Verhaltensregeln des Straßenverkehrsrechts und ist grundsätzlich
objektiv und subjektiv als grob fahrlässig anzusehen (BGH, Urteil v. 22.06.2011, IV,
ZR 225/10).
· In den Fällen der relativen Fahruntüchtigkeit muss der Versicherer hingegen alkoholtypische Fahrfehler oder sonstige Ausfallerscheinungen beweisen, die
den Schluss auf die alkoholbedingte Herbeiführung des Versicherungsfalls rechtfertigen.
Im vorliegenden Fall war angesichts der festgestellten Alkoholkonzentration von einer relativen Fahruntüchtigkeit der Autofahrerin auszugehen. Dennoch kam das Saarländische OLG zu der Einschätzung, dass die Frau den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat. Sie habe schwerwiegend gegen grundlegende Verkehrsregeln verstoßen.
Ein nüchterner Fahrer hätte sich nachts bei regennasser Fahrbahn einem vorausfahrenden Fahrzeug nicht so nahe genähert, dass er zu einer Starkbremsung gezwungen worden wäre, bzw. er hätte so gebremst, dass er nicht die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hätte, so das Gericht.
OLG Saarbrücken, Urteil v. 12.10.2022, 5 U 22/22
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