Beschwerderecht im Fall der Ablehnung einer betreuungsgerichtlichen Unterbringungsgenehmigung

2202787 Service Account • 6. April 2023

Das Landgericht hatte zunächst ein Beschwerderecht abgelehnt, weil der Betroffene
durch die Ablehnung der Genehmigung nicht beschwert gewesen sei.

 

Dem ist nun der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung mit deutlichen Worten entgegengetreten.

 

 

 

 

Betreuungsrecht

 

Beschwerderecht im Fall der Ablehnung einer betreuungsgerichtlichen Unterbringungsgenehmigung

 

Das Landgericht hatte zunächst ein Beschwerderecht abgelehnt, weil der Betroffene
durch die Ablehnung der Genehmigung nicht beschwert gewesen sei.

 

Dem ist nun der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung mit deutlichen Worten entgegengetreten.

 

Der Betroffene ist auch im Fall der Ablehnung einer betreuungsgerichtlichen Unterbringungsgenehmigung in seinen Rechten beeinträchtigt, sodass der Betreuer in seinem Namen eine zulässige Beschwerde einlegen kann (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 2. Februar 2022 - XII ZB 530/21, FamRZ 2022, 726).

 

Nach Ansicht des BGH ist die zivilrechtliche Unterbringung - wie das Betreuungsrecht insgesamt - ein Institut des Erwachsenenschutzes als Ausdruck der staatlichen Wohlfahrtspflege, deren Anlass und Grundlage das öffentliche Interesse an der Fürsorge für den schutzbedürftigen Einzelnen ist. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen besteht daher auch ein Recht des Betroffenen auf die staatliche Maßnahme. Die §§ 1896 ff. BGB haben nicht nur einen in die Grundrechte eingreifenden Gehalt, sondern dienen insbesondere der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts und der Menschenwürde des Betroffenen, der wegen seiner Krankheit oder Behinderung nicht eigenverantwortlich entscheiden kann, sowie dem Schutz seines Lebens und seiner Gesundheit (Senatsbeschluss vom 2. Februar 2022 - XII ZB 530/21 - FamRZ 2022, 726 Rn. 11 mwN).

 

Dementsprechend stellen sich zivilrechtliche Unterbringung und ärztliche Zwangsmaßnahmen nicht nur als Grundrechtseingriffe, sondern vor allem auch als den Betroffenen begünstigende Maßnahmen der staatlichen Fürsorge dar. Ihr Zweck besteht neben ihrer die Eingriffsvoraussetzungen festlegenden und damit Grundrechtseingriffe beschränkenden Funktion insbesondere darin, den Anspruch des Betroffenen auf Schutz und Behandlung umzusetzen, wenn er krankheitsbedingt keinen freien Willen bilden kann und sich ohne medizinische Behandlung erheblich schädigen würde. Dass diese nur mittels schwerwiegender Eingriffe in die Grundrechte des Betroffenen möglich ist, ändert an dem begünstigenden Charakter nichts. Im Regelfall ist die Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB dementsprechend dadurch gekennzeichnet, dass den Betroffenen die notwendige Krankheitseinsicht fehlt und mithin allein die Unterbringung, erforderlichenfalls ergänzt durch medizinische Zwangsmaßnahmen, die Voraussetzungen dafür schaffen kann, dass die Krankheit des Betroffenen behandelt werden kann (Senatsbeschluss vom 2. Februar 2022 - XII ZB 530/21 - FamRZ 2022, 726 Rn. 12 f. mwN).

 

Entsprechend seinem subjektiven Recht auf den staatlichen Erwachsenenschutz ist der Betroffene durch die Ablehnung der jeweiligen Maßnahme materiell beschwert. Der entgegenstehende (natürliche) Wille des Betroffenen beseitigt die Beschwer für ein in seinem Namen eingelegtes Rechtsmittel nicht. Ob ein die Betreuung oder Unterbringung ausschließender freier Wille vorliegt, ist erst im Rahmen der Begründetheit zu prüfen. Da die Vertretungsbefugnis des Betreuers im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabenkreises grundsätzlich unbeschränkt ist, kann dieser sämtliche Rechte des Betroffenen in dessen Namen geltend machen, um damit seinem Amt entsprechend dem gebotenen Erwachsenenschutz gerecht zu werden (Senatsbeschluss vom 2. Februar 2022 - XII ZB 530/21 - FamRZ 2022, 726 Rn. 14 f. mwN).

 

BGH, Beschluss vom 22.06.2022 - XII ZB 376/21

Veröffentlichung:

https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=130731&pos=20&anz=845

9. Januar 2025
Vorsicht bei Vorschäden am beschädigten Pkw. Ist ein Vorschaden während der Besitzzeit des Geschädigten eingetreten und verfügt dieser über entsprechende Werkstattrechnungen, aus denen der Vorschaden und dessen sach- und fachgerechte Behebung ohne weiteres nachvollzogen werden können, ist der Geschädigte eines Verkehrsunfalls nach § 119 Abs. 3 VVG dem gegnerischen Haftpflichtversicherer im Rahmen der Regulierung des Sachschadens nicht nur zur Auskunft bezüglich des Vorschadens, sondern auch zur Vorlage der entsprechenden Rechnungen verpflichtet. Kommt der Geschädigte dem nicht nach, fehlt es an einem Anlass zur Klageerhebung im Sinne des § 93 ZPO. Saarländisches OLG, Urteil v. 01.10.2024, 3 W 7/24 Veröffentlichung: https://recht.saarland.de/bssl/document/NJRE001587864
9. Januar 2025
Verletzungen bei einem Firmen-Fußballturnier stellen keinen Arbeitsunfall dar. Das Bundessozialgericht (BSG) entschied, dass ein Unfall bei einem firmeninternen Fußballturnier kein Arbeitsunfall ist. Die Teilnahme des Klägers erfüllte keine beruflichen Pflichten. Zum Zeitpunkt des Unfalls bestand weder Versicherungsschutz unter dem Aspekt des Betriebssports noch als gemeinschaftliches Firmenevent, da der Wettbewerb im Vordergrund stand und nur fußballbegeisterte Mitarbeiter angesprochen wurden. Die Teilnahme an einem Sportereignis begründet nicht automatisch Versicherungsschutz, nur weil die Firma es unterstützt und es in der Presse erwähnt wird. Solange es nicht aktiv als Werbeplattform genutzt wird, ist der Werbeeffekt rechtlich unerheblich. BSG, Urteil v. 26.9.2024, B 2 U 14/22 R Veröffentlichung: https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/bsg-b2u1422r-internes-fussballturnier-unfallschutz-verletzung-wettkampf
von 2202787 Service Account 9. Januar 2025
Prüfung der Geschäftsfähigkeit von Amts wegen. Die Frage, ob der Betroffene im Zeitpunkt der Vollmachterteilung nach § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig war, hat das Gericht nach § 26 FamFG von Amts wegen aufzuklären. Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen hat es von Amts wegen nachzugehen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 22. Juni 2022 - XII ZB 544/21, FamRZ 2022, 1556). BGH, Beschluss vom 09.10.2024 - XII ZB 289/24 Veröffentlichung: https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=f58d356a9c189a0c18f5971cee57960f&Seite=10&nr=139966&anz=79106&pos=317
9. Januar 2025
Die Minderung des Vergütungsanspruchs nach § 634 Nr. 3, Fall 2, § 638 BGB schließt einen Kostenvorschussanspruch nach § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB wegen des Mangels, auf den die Minderung gestützt wird, nicht aus. In einer Grundsatzentscheidung hat der BGH klargestellt, dass im Werkvertragsrecht bei Mängeln des Werkes unterschiedliche Rechte des Bestellers nebeneinander stehen können. Allerdings schließt eine Minderung eine spätere Geltendmachung des großen Schadenersatzes verbunden mit einer Rückabwicklung des Vertrages aus. BGH, Urteil vom 22. August 2024 - VII ZR 68/22 Veröffentlichung: https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&az=VII%20ZR%2068/22&nr=139117
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