Sozialversicherungsrecht Kursleiter in Fitnessstudios sind nicht zwingend freie Mitarbeiter

21. Dezember 2023

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (vgl. BSG vom 11.11. 2015, B 12 KR 13/14 R).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. u.a. BSG vom 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R; BSG vom 4.7.2007, B 11 AL 5/06 R) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl. BSG vom 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, Rn 15; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit siehe BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dies bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (vgl. BSG vom 28.9.2011, B 12 R 17/09 R; vom 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R; vom 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R; vom 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R; vom 22.6.2005, B 12 KR 28/03 R; vom 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R).

Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. selbständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden.

Maßgeblich sind jeweils die Verhältnisse nach Annahme, also bei Durchführung des einzelnen Auftrages (vgl. BSG vom 28.9.2011, B 12 R 17/09 R).

Aufgrund folgender Bewertungen kann das Bayerische Landessozialgericht dann zu dem Ergebnis, dass die Fitnesstrainer allesamt als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte einzustufen sind.

Die Fitnesstrainer seien als Kursleiter nach Annahme des Kursleitungsauftrages in die betriebliche Organisation des Fitnessstudios eingebunden gewesen. Das Studio habe das Angebot an Trainingsmöglichkeiten und Kursen bestimmt, ebenso, ob Kurse bei fehlender Auslastung nicht stattfanden, und habe die Kunden akquiriert.

Die Kursleiter hätten lediglich die Aufgabe gehabt, das vorgegebene Programm auszufüllen. Die Kursleiter hätten nicht nach eigenem Gutdünken das Kursangebot verändern oder durch andere Kurse ersetzen können. Die Kurse seien in den Räumlichkeiten des Studios durchzuführen gewesen. Die Kursleiter hätten damit faktisch keine unternehmerischen Gestaltungsfreiheiten gehabt. Die Kursleiter seien zudem nach Stunden bzw. geleisteten Minuten bezahlt worden. Hieraus ergebe sich kein Unternehmerrisiko, da geleistete Arbeit stets vergütet worden sei.



Bayerisches LSG, Beschluss vom 18.08.2023 – L 7 BA 72/23 B ER


Veröffentlichung:


https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/174239



9. Januar 2025
Vorsicht bei Vorschäden am beschädigten Pkw. Ist ein Vorschaden während der Besitzzeit des Geschädigten eingetreten und verfügt dieser über entsprechende Werkstattrechnungen, aus denen der Vorschaden und dessen sach- und fachgerechte Behebung ohne weiteres nachvollzogen werden können, ist der Geschädigte eines Verkehrsunfalls nach § 119 Abs. 3 VVG dem gegnerischen Haftpflichtversicherer im Rahmen der Regulierung des Sachschadens nicht nur zur Auskunft bezüglich des Vorschadens, sondern auch zur Vorlage der entsprechenden Rechnungen verpflichtet. Kommt der Geschädigte dem nicht nach, fehlt es an einem Anlass zur Klageerhebung im Sinne des § 93 ZPO. Saarländisches OLG, Urteil v. 01.10.2024, 3 W 7/24 Veröffentlichung: https://recht.saarland.de/bssl/document/NJRE001587864
9. Januar 2025
Verletzungen bei einem Firmen-Fußballturnier stellen keinen Arbeitsunfall dar. Das Bundessozialgericht (BSG) entschied, dass ein Unfall bei einem firmeninternen Fußballturnier kein Arbeitsunfall ist. Die Teilnahme des Klägers erfüllte keine beruflichen Pflichten. Zum Zeitpunkt des Unfalls bestand weder Versicherungsschutz unter dem Aspekt des Betriebssports noch als gemeinschaftliches Firmenevent, da der Wettbewerb im Vordergrund stand und nur fußballbegeisterte Mitarbeiter angesprochen wurden. Die Teilnahme an einem Sportereignis begründet nicht automatisch Versicherungsschutz, nur weil die Firma es unterstützt und es in der Presse erwähnt wird. Solange es nicht aktiv als Werbeplattform genutzt wird, ist der Werbeeffekt rechtlich unerheblich. BSG, Urteil v. 26.9.2024, B 2 U 14/22 R Veröffentlichung: https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/bsg-b2u1422r-internes-fussballturnier-unfallschutz-verletzung-wettkampf
von 2202787 Service Account 9. Januar 2025
Prüfung der Geschäftsfähigkeit von Amts wegen. Die Frage, ob der Betroffene im Zeitpunkt der Vollmachterteilung nach § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig war, hat das Gericht nach § 26 FamFG von Amts wegen aufzuklären. Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen hat es von Amts wegen nachzugehen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 22. Juni 2022 - XII ZB 544/21, FamRZ 2022, 1556). BGH, Beschluss vom 09.10.2024 - XII ZB 289/24 Veröffentlichung: https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=f58d356a9c189a0c18f5971cee57960f&Seite=10&nr=139966&anz=79106&pos=317
9. Januar 2025
Die Minderung des Vergütungsanspruchs nach § 634 Nr. 3, Fall 2, § 638 BGB schließt einen Kostenvorschussanspruch nach § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB wegen des Mangels, auf den die Minderung gestützt wird, nicht aus. In einer Grundsatzentscheidung hat der BGH klargestellt, dass im Werkvertragsrecht bei Mängeln des Werkes unterschiedliche Rechte des Bestellers nebeneinander stehen können. Allerdings schließt eine Minderung eine spätere Geltendmachung des großen Schadenersatzes verbunden mit einer Rückabwicklung des Vertrages aus. BGH, Urteil vom 22. August 2024 - VII ZR 68/22 Veröffentlichung: https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&az=VII%20ZR%2068/22&nr=139117
9. Januar 2025
Wenn laut Arbeitsvertrag Ziele für eine erfolgsabhängige variable Vergütung vereinbart werden sollen, darf sich ein Arbeitgeber nicht vorbehalten, die Ziele ohne Verhandlung einseitig festzulegen. Eine entsprechende AGB-Klausel hat das BAG für unwirksam erklärt. Zielvorgaben als Voraussetzung für eine erfolgsabhängige Vergütung werden vom Arbeitgeber allein festgelegt. Zielvereinbarungen müssen dagegen von Arbeitgeber und Arbeitnehmenden einvernehmlich getroffen werden. Wegen der Unwirksamkeit einer entsprechenden Klausel, sprach das Bundesarbeitsgericht nunmehr einem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Schadensersatz zu. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 3. Juli 2024, Az. 10 AZR 171/23 Veröffentlichung: https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/10-azr-171-23/
9. Januar 2025
Beweiswert einer E-Mail? Nach einer aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock, spricht für den Zugang einer E-Mail auch dann kein Anscheinsbeweis, wenn der Absender die Versendung der Mail nachweisen kann. Insoweit ist der Empfänger nicht verpflichtet sein Posteingangsfach offenzulegen. Für den ordnungsgemäßen Zugang der Willenserklärung i. S. v. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Absender in vollem Umfange beweisbelastet. Für den Nachweis des Zugangs existiert im analogen Bereich die Möglichkeit einer vom Empfänger unterschriebenen Empfangsbestätigung (z. B. Einschreiben/Rückschein) oder der Zeugenbeweis durch den überbringenden Boten. Dem entspricht im digitalen Bereich die digitale Empfangs- oder Lesebestätigung . Mit deren Hilfe kann der Absender den Nachweis für den Zugang erbringen. Die Rechtsauffassung des OLG entspricht der bisher überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Hamm, Beschluss v. 10.8.2023, I 26 W 13/23; LAG Köln, Urteil v. 11.1.2022, 4 Sa 315/21). Der vereinzelt von anderen Gerichten vertretenen abweichenden Meinung (AG Frankfurt, Urteil v. 23.10.2008, 30 C 730/08) erteilte das OLG unter Hinweis auf die bestehenden technischen Unsicherheiten eine Absage. OLG Rostock, Beschluss v. 3.4.2024, 7 U 2/24 Veröffentlichung: https://www.landesrecht-mv.de/bsmv/document/NJRE001570988
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