Wichtige Entscheidung des BGH für die Verwaltung von Nachlässen durch einen Nachlasspfleger

2202787 Service Account • 6. April 2023

Nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofes, ist der Nachlasspfleger nicht berechtigt, mit Wirkung für die unbekannten Erben eine in den Nachlass des Erblassers gefallene weitere Erbschaft auszuschlagen. Das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft ist ein allein dem Erben bzw. seinen Rechtsnachfolgern, den Erbeserben, persönlich zustehendes Recht.

Gemäß § 1960 Abs. 1 BGB hat das Nachlassgericht bis zur Annahme der Erbschaft für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, soweit ein Bedürfnis besteht. Das Gleiche gilt, wenn der Erbe unbekannt ist oder wenn ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat. Der von dem Nachlassgericht gemäß § 1960 Abs. 2 BGB zu bestellende Nachlasspfleger ist gesetzlicher Vertreter des Erben. In dieser Eigenschaft und nicht etwa als Vertreter des Nachlasses bzw. treuhänderische Amtsperson hat er seiner Hauptaufgabe, der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses, für den wirklichen Erben nachzukommen mit nach außen grundsätzlich unbeschränkter Vertretungsmacht und Verfügungsbefugnis (Senatsurteil vom 8. Dezember 2004 - IV ZR 199/03, BGHZ 161, 281 [juris Rn. 17]). In diesem Zusammenhang hat der Nachlasspfleger den Nachlass zu erhalten, zu verwalten und die Vermögensinteressen der noch festzustellenden Erben wahrzunehmen. Maßgebend hierfür ist nach objektiven Kriterien vor allem das wirtschaftlich und finanziell Vernünftige (OLG Hamm NLPrax 2019, 33 unter II [juris Rn. 10]). Demgegenüber gehört es nicht zu den Aufgaben des Nachlasspflegers, darüber zu entscheiden, wem der zu sichernde Nachlass endgültig zufällt (vgl. MünchKomm-BGB/Leipold, 8. Aufl. § 1960 Rn. 70).

 

Streitig wird allerdings die in diesem Verfahren maßgebliche Frage beurteilt, ob der Nachlasspfleger berechtigt ist, für die unbekannten Erben eine dem Erblasser noch vor seinem Tod angefallene - unter Umständen überschuldete - Erbschaft (sogenannter Unternachlass), die dieser selbst weder angenommen noch ausgeschlagen hat, auszuschlagen.

 

Der BGH kam zu dem Ergebnis, dass das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft ein allein dem Erben bzw. seinen Rechtsnachfolgern, den Erbeserben, persönlich zustehendes Recht darstellt. Dies ergibt sich bereits aus § 1952 BGB. Gemäß § 1952 Abs. 1 BGB ist das Recht des Erben, die Erbschaft auszuschlagen, vererblich. Stirbt - wie hier - der Erbe vor dem Ablauf der Ausschlagungsfrist, so endigt die Frist nicht vor dem Ablauf der für die Erbschaft des Erben vorgeschriebenen Ausschlagungsfrist (§ 1952 Abs. 2 BGB). Die Ausschlagungsfrist des Erbeserben für den Unternachlass endet mithin, selbst wenn sie für den verstorbenen Erben - wie hier - bereits zu laufen begonnen hatte, frühestens mit dem Ende der Ausschlagungsfrist hinsichtlich des Hauptnachlasses (vgl. BeckOGK/Heinemann, BGB § 1952 Rn. 25 [Stand: 1. Dezember 2021]). Schon wegen dieses nicht drohenden Rechtsverlustes für den unbekannten Erbeserben besteht mithin - wie das Beschwerdegericht zu Recht ausführt - kein Sicherungsbedürfnis, welches es rechtfertigen könnte, dass der Nachlasspfleger die allein dem Erben bzw. dem Erbeserben vorbehaltene Entscheidung über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft an sich ziehen müsste. Vielmehr bestünde im Gegenteil die Gefahr, dass der Nachlasspfleger durch ein von ihm selbst ausgeübtes Ausschlagungsrecht das den Erbeserben in § 1952 Abs. 1 und 2 BGB vorbehaltene persönliche Ausschlagungsrecht unterlaufen könnte.

 

BGH, Beschluss vom 16.03.2022 - IV ZB 27/21

Veröffentlichung:

https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=128713&pos=0&anz=1

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